Schild 5: Der weinhandel
Qualitätsverhandlungen.
Der Hafen war lange Zeit ein Garant für den Wohlstand der Stadt Libourne. Als 1270 die Bastide an der Stelle gegründet wurde, wo zu gallo-römischen Zeiten der Hafen von Condate, später Fozera, stand, wurde ihre Handelstätigkeit durch bedeutende Steuervergünstigungen gefördert. Die Waren, mit denen dort gehandelt wurde, waren vielfältiger Natur: Leder, Töpferwaren, Wolle und Stoffe, Metalle in bearbeitetem oder im Rohzustand und natürlich Salz und Wein. Die Lager der Händler befanden sich zu jener Zeit in der Nähe des Hafens, wurden jedoch von den Befestigungsanlagen der Stadt geschützt. Der Name der Rue des Chais (Weinlager-Straße) erinnert durch ihre Lage in der Innenstadt an die Wichtigkeit dieses Handelszweigs.
Auch wenn Wein zu dieser Zeit nicht die einzige Ware war, mit der im Hafen Handel getrieben wurde, nahm er doch einen wichtigen Platz ein. So existierte bereits eine besondere Regelung für Weinlese, Weinherstellung und vor allem die Bedingungen für den Transport und den Verkauf der Ernte.
Bis zum Ende des Hundertjährigen Krieges tranken die englischen Fürsten Wein aus Aquitanien. Besonders berühmt war der Clairet, ein leichter Rotwein. Auch auf deutschen und niederländischen Tischen fanden diese Weine Anklang. Dieser große Absatzbereich wurde durch die Seewege begünstigt, die von der Gironde-Mündung aus in den Norden Europas führten und zur Zeit des Mittelalters sicherere Transportbedingungen boten, als das zu Land der Fall war.
Der Hafen von Libourne bediente nicht nur eine produktionsstarke Region, sondern war auch der Knotenpunkt zwischen dem Flussgebiet der Dordogne und den großen Seewegen. Dank dieser Situation war es ihm möglich, die Produktion seines Gebiets (die Weine aus Fronsac, Saint-Emilion und Pomerol) sowie die des mittleren Dordogne-Tals (Weine aus Bergerac und Sainte Foy) in Umlauf zu bringen. Da die Bastide jedoch von besonderen Vorteilen profitierte, wurden die Weine ihres Gebiets bevorzugt verkauft, wohingegen die Weine aus Bergerac und Sainte Foy nur in der Winterzeit auf den Markt gebracht wurden. Diese Situation sorgte für zahlreiche Spannungen und machte sogar ein Schlichtungsverfahren durch den Seneschall von Guyenne und das Parlament von Bordeaux notwendig.
Heutzutage wird die Vermarktung von Wein selbstverständlich nicht mehr durch feudale Privilegien geregelt. Die Qualität und die Terroirs der Weine stehen nun im Mittelpunkt. Diese unterscheiden sich oft sehr. Selbst innerhalb des Arrondissements Libourne gibt es Unterschiede.
Von den 50 000 Hektar, die 1897 dem Weinbau gewidmet waren, sagt der Herausgeber Edouart Féret: „Vom Qualitätsstandpunkt her finden wir an der Spitze das Weinbaugebiet von Saint-Emilion. Anschließend folgen die Weine aus Fronsac, wo renommierte Vins de Côte sowie eine große Menge Vins de Palus produziert werden“. 1936 wurde den Weinbaugebieten Pomerol und Saint-Emilion die geschützte Herkunftsbezeichnung AOC (Appellation d’origine contrôlée) verliehen. Diese legt die geografischen Gebiete, den Sortenbestand und die Produktionsbedingungen fest. Der nordöstliche Teil der Stadt Libourne gehört zur AOC Pomerol. Ein anderer Teil der Stadt sollte zu jener Zeit als „Sables-Saint-Emilion“ klassifiziert werden. Im darauffolgenden Jahr werden die Appellationen Graves-de-Vayres und Fronsac offiziell festgelegt.
Die Fassaden des Weinhandels in Libourne.
Weinhändler sind Kaufleute, die sich auf den Verkauf von Wein spezialisiert haben. Ihre Aufgabe besteht darin, die Waren der Weingüter über ihr Vertriebsnetz zu vertreiben. Dafür ist nicht nur eine hervorragende Kenntnis der Welt des Weins und des Weins selbst vonnöten, auch die Pflege von Beziehungen zu Produzenten, Einzelhändlern und Konsumenten ist wichtig.
Im Laufe des 18. und 19. Jahrhunderts ermöglichen es zahlreiche wirtschaftliche Wohlstandsphasen dieser Berufsgruppe, einen festen Platz einzunehmen. Parallel dazu entwickelt sich auch die Weinbranche auf bemerkenswerte Art und Weise weiter. Die Techniken der Weinherstellung verfeinern sich, sodass die Herstellung von Vins de garde (Lagerweinen) möglich wird. Zuvor mussten Weine relativ schnell konsumiert werden. Mehr und mehr wird Wein gelagert und in Flaschen konsumiert. Die ausschließliche Nutzung von Fässern gehört somit der Vergangenheit an. 1870 treibt die Reblaus ihr Unwesen und verwüstet die Weinberge. Dies führt dazu, dass auf neue Rebsorten ausgewichen werden muss. Die Weinhandelbranche passt sich indes diesen Veränderungen und Krisen an und spielt eine bedeutende Rolle in der Region rund um Bordeaux und Libourne.
Es sind diese Weinhändler, die die Hafenfront von Libourne prägen werden. Zwei Orte sind in dieser Hinsicht besonders bemerkenswert.
Der Quai du Priourat, wo sich mehrere Weinlager, breite und tiefe Lagerhäuser, befinden, die 1824 nach der Eröffnung der Pont de Pierre (Steinbrücke) über die Dordogne errichtet wurden. In früheren Jahrhunderten stand das „Priourat“ (Priorat) nur aus ehemaligen Landwirtschaftsflächen, die von Geistlichen verwaltet wurden, und darüber hinaus bei Hochwasser einem erheblichen Überschwemmungsrisiko ausgesetzt waren. Was später das Stadtviertel Priourat werden sollte, war zu jener Zeit also ein großes, unbebautes Gelände. Als Libourne nach und nach über die Grenzen der mittelalterlichen Stadt hinauswuchs, stellte dieser Bereich eine Möglichkeit dar, weitere Gebäude zu errichten. Der Vorteil bestand darin, direkt am Fluss und in der Nähe einer Straßenverbindung bauen zu können, die Libourne mit Bordeaux verband.
Die Gestaltung dieses Hafenufers trägt die Handschrift des Weinhandels des 19. Jahrhunderts. Als die Kais in den 1840er-Jahren gemauert wurden, legte man die Laderampen so an, um das Be- und Entladen der Gabarren abhängig von den Gezeiten zu ermöglichen. Die Weinlager wurden abseits der Ufer gebaut, um sie vor Überschwemmungen zu schützen und vor allem um bei der Be- und Entladung der Gabarren und Lastwagen die Handhabung der unzähligen Barriquefässer zu gewährleisten, die zu jener Zeit noch vornehmlich zum Weintransport genutzt wurden.
Die Weinlager selbst wurden sehr großflächig angelegt, um ausreichend Platz für die wertvollen Waren zu bieten. Einige Konstruktionen dienten nur dem vorgesehenen Zweck, andere wiederum zeigten stolz ihre mit Wein-Motiven und teilweise auch Initialen verzierten Fassaden. Diese Signaturen deuteten auf den Wohlstand des Weinhändlers hin, der gleichzeitig auch der Inhaber des Weinlagers war.
Der Quai d’Amade, zwischen dem Quai Souchet und der Pont de Pierre über der Dordogne weist andere Besonderheiten auf. Er stellt einen der Zugänge zur Brücke dar und wurde daher im Vergleich zu den ursprünglichen Ufern erhöht gebaut. In der Verlängerung der Brückenkonstruktion wurde mit einem Bauprogramm begonnen, das jedoch nicht abgeschlossen wurde. Die Gebäude des Quai und des Place Delattre de Tassigny zählen zu den vollendeten Werken dieses Programms. Die Etagen waren als Wohnräume vorgesehen, die Erdgeschosse und Keller für Weinhandel und andere Geschäftstätigkeiten.
So hatten die Weinkeller oder Lager, die sich in den Kellern befanden, über Tunnel, die unter der Zugangsrampe zur Brücke eingerichtet worden waren, einen direkten Zugang zum Hafen.
Nachdem der Handelshafen von Libourne seinen Betrieb eingestellt hatte, waren diese Zugänge zunächst mit Gittern verschlossen und stillgelegt worden. Bei der Neugestaltung der Confluence wurden sie dann aber beibehalten. In der Nähe der Hafenmeisterei auf der Esplanade de la République ist der Eingang zu diesen Tunneln auch heute noch zu sehen. Die letzten Veränderungen der Hafenfront, die nun ganz im Zeichen von Freizeitangeboten und Tourismus steht, haben ihnen wieder einen neue Aufgabe verliehen.